Natur-(Wesen-)Lyrik

Lyrik August 2015

Der Fischer

Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Teilt sich die Flut empor:
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
»Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie’s Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ew’gen Tau?«

Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,
Netzt‘ ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
Wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war’s um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.

J.W. v. Goethe

 

Lyrik Mai 2015

 

Grenzen der Menschheit

Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Über die Erde sät,
Küss‘ ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindlicher Schauer
Treu in der Brust.

Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgendein Mensch.
Hebt er sich aufwärts
Und berührt
Mit dem Scheitel die Sterne,
Nirgends haften dann
Die unsichern Sohlen,
Und mit ihm spielen
Wolken und Winde.

Steht er mit festen,
Markigen Knochen
Auf der wohlgegründeten
Dauernden Erde:
Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche
Oder der Rebe
Sich zu vergleichen.

Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Daß viele Wellen
Vor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
Verschlingt die Welle,
Und wir versinken.

Ein kleiner Ring
Begrenzt unser Leben,
Und viele Geschlechter
Reihen sich dauernd
An ihres Daseins
Unendliche Kette.

(J. W. v. Goethe; zitiert nach Projekt Gutenberg)

 

 

Lyrik April 2015

Zauber

Ist denn kein Zauber mehr auf Erden?
Ist Regen nichts als Wasser, Sonnenschein bloß Licht?
Sind sie nicht Feengold und Perlen?
Im Wind weh’n Elfenwägen – oder nicht?

Ist alle Zauberei verschwunden?
Wo sind die Straßen in den Wiesen,
Auf denen Mäuschen Streichholzkutschen ziehen
Mit Zwergen, welche freundlich grüßen?

Ist alle Zauberwelt dahin?
Ist in der Rose kein Elfchen mehr,
Die Erde tot unter unseren Füßen
Und von Kobolden, Zwergen und Gnomen leer?

Ist alle Zauberwelt vergangen,
Die alten Wunder nichts als leerer Schein,
Die Hexen, Riesen, Elfen, Zwerge, Feen –
Dann will auch ich in dieser Welt nicht länger sein.

Der Elfenfreund-Alvin (nach einem Gedicht von Margaret Mahy) im April 2015

 

Lyrik Juli 2014

Sommerregenlied
Text und Melodie: Felicitas Schenck

Regen tropft auf mein Zeltdach
es dunkelt draußen als wäre es schon Nacht.
Doch ich weiß, dass Wesen klein und groß
diesen Regen bringen und das gibt mir Trost.

Hurtig treiben sie Wolken vor sich her,
dicke Wolken grau und schwer.
Und wenn dann die Erde reich benetzt,
feiern Strahlenkinder ein Sonnenstrahlenfest.

Blüten falten ihre Blätter wieder auf,
Bienen laben sich an diesem Schmaus.
|: Oh, wie gut riecht nun der Wiesenduft.
Nach diesem Sommerregen liegt Frische in der Luft.:|

Sommerregenlied

 

Lyrik April 2014

 

Mein Freund, der Baum

Ich habe einen Freund – den Baum –
Was er mich lehren kann! Wie er mich nähren kann!
Er neigt sich innig mir zu,
spricht zu mir sein „Du!

Du bist also der, den der Herr der Schöpfung gab – du – der Mensch,
der die Schöpfung bewahren soll –
Ich bin des Dankes voll, du Mensch!

Komm, lehn dich an!
Ich hab einen kräftigen Stamm für uns beide!“

Ich habe diesen Freund – ihr wisst schon – den Baum!
Wie er mich lenken kann, was er mir schenken kann!
Er schenkt Geborgenheit.
Verschweigt sein tiefes Leid –

Ich bin also der, den der Herr der Schöpfung gab – ich, der Mensch –
der die Schöpfung bewahren will –
ich schweig und bin ganz still, ich Mensch!

„Komm lehn dich an!
Ich hab einen kräftigen Stamm für uns beide!“

Ich habe meinen Freund, den Baum!
Was er mir sagen kann! Wie er mich fragen kann!
Er fragt in tiefer Ruh:
„Wann  – beginnst du?

Du bist doch der, den der Herr der Schöpfung gab?
Du – der Mensch, der die Schöpfung bewahren soll?
Ich bin der Hoffnung voll –  du Mensch! –

Komm, lehn dich an!
Ich hab einen kräftigen Stamm für uns beide!“

Christa Maria Elfenmund

Christa Maria Elfenmund, Der Baum – mp3

 


Lyrik Dezember 2013

(Faust schlägt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)

Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!
Du, Geist der Erde, bist mir näher;
Schon fühl ich meine Kräfte höher,
Schon glüh ich wie von neuem Wein.
Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,
Mit Stürmen mich herumzuschlagen
Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.
Es wölkt sich über mir-
Der Mond verbirgt sein Licht-
Die Lampe schwindet!
Es dampft! Es zucken rote Strahlen
Mir um das Haupt- Es weht
Ein Schauer vom Gewölb herab
Und faßt mich an!
Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist
Enthülle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefühlen
All meine Sinnen sich erwühlen!
Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du mußt! du mußt! und kostet es mein Leben!
(Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus.
Es zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.)

GEIST:
Wer ruft mir?

FAUST (abgewendet):
Schreckliches Gesicht!

GEIST:
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang gesogen,
Und nun-

FAUST:
Weh! ich ertrag dich nicht!

GEIST:
Du flehst, eratmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn;
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich!- Welch erbärmlich Grauen
Faßt Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf
Und trug und hegte, die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?
Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,
Der sich an mich mit allen Kräften drang?
Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenslagen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm?

FAUST:
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich bin’s, bin Faust, bin deinesgleichen!

GEIST:
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Wehe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselndes Wehen,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

FAUST:
Der du die weite Welt umschweifst,
Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir!

GEIST:
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
(verschwindet)

FAUST (zusammenstürzend):
Nicht dir?
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!

J.W. v. Goethe

 

Zurück zum Elfentagebuch: Märchen, Mythen, Göttersagen (April 2013)

 

 

 

Lyrik Juni 2013

Ja, da sind viele kleine Hände

Woher weiß der Samen, was er werden soll?
Woher weiß er, wohin sein Weg ihn führt?
Woher weiß er, dass er dann aufgehen soll,
wenn die Sonne ihn berührt?
Woher weiß er, dass er in der Erde tief
seine Wurzeln zunächst schlägt
und dann doch einmal frohgemut
hinauf in den Himmel strebt?
Ja, da sind viele keine Hände,
die ihn leiten und ihn führ‘n,
die ihn auf seinem Weg begleiten
und, was er braucht, auch sogleich spür‘n.
Und diese vielen kleinen Hände
sind von Wesen in Wald und Flur,
sie hüten alle Samen wohl
im Schoße der Natur.

Unser Apfelbaum, so groß und stolz,
begann einst als Samen in der Erde.
Und er denkt noch heute gerne an den Tag,
als ein Wesen ihm sagte: „Werde!
Werd‘ ein Apfelbaum, der sein Äste hoch
in den Himmel reckt,
der selber Äpfel trägt und mit seinem Laub
Vöglein im Schlafe leis‘ bedeckt.“
Denn da sind viele keine Hände,
die dich leiten und dich führ‘n,
die dich auf deinem Weg begleiten
und, was du brauchst, auch sogleich spür‘n.
Und diese vielen kleinen Hände
sind von Wesen in Wald und Flur,
sie hüten alle Samen wohl
im Schoße der Natur.

Woher weiß der Samen, was er werden soll?
Und was er dafür tun muss?
Woher weiß er, dass er einmal groß und stark
doch erst klein beginnen muss?
Sinnend steh‘ ich unter unser‘m Apfelbaum,
einen Apfel rot in meiner Hand
und ich staune, wer aus einem Samen klein
dieses Wunder formen kann.
Ja, da sind viele keine Hände,
die ihn leiten und ihn führ‘n,
die ihn auf seinem Weg begleiten
und, was er braucht, auch sogleich spür‘n.
Und diese vielen kleinen Hände
sind von Wesen in Wald und Flur,
sie hüten alle Samen wohl
im Schoße der Natur.

Felicitas Schenck

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin, zur privaten Wiedergabe!

Ja, da sind viele kleine Hände (MP3)

 

 


Lyrik Mai 2013

„Morgenstimmung“:

Wach auf, wach auf, wach auf!
Die Sonne steigt empor!

Refrain:
Schau dahin – lausch in dich hinein – so rein
ist der Morgen – rein!

1. Farben eines Regenbogens dort am Himmelstor
davor
der Berge Saum – ein Flaum
der Natur –
Wunder !

2. Hinter grauen Wolkenmauern zartes Rosenlicht
durchbricht
die Nacht
welche Macht
der Freude!
Wunder!

3. Lausch dem Lied der Vogelmännchen
singend voller Glück
berückend schön jeder Laut!
Die Heilige Werbung der Braut!
Hoch – Zeit!

4. Wunderzarte Windeswesen weben einen Klang
So sylphenzart der Gesang
der Lüfte –
Sphärenharmonien!

5. Alle deine Sinne lass empfinden dies Geschenk!
Bedenk
die Wesen um dich!
Beschenk sie mit innigem Licht
der Liebe!

Schau dahin, lausch in dich hinein!
So rein ist der Morgen –  rein!

Christa Maria Elfenmund

Christa Maria Elfenmund: Morgenstimmung (MP3)

 

 

Maiglöckchen und die Blümelein

Maiglöckchen läutet in dem Tal,
das klingt so hell und fein,
so kommt zum Reigen allzumal,
ihr lieben Blümelein!

Die Blümchen, blau und gelb und weiß,
Die kommen all herbei,
Vergissmeinnicht und Ehrenpreis
Zeitlos‘ und Akelei.

Maiglöckchen spielt zum Tanz im Nu
und alle tanzen dann.
Der Mond sieht ihnen freundlich zu,
hat seine Freude dran.

Den Junker Reif verdross das sehr,
Er kommt ins Tal hinein;
Maiglöckchen spielt zum Tanz nicht mehr.
Fort sind die Blümelein.

Doch kaum der Reif das Tal verlässt,
da rufet wiederum
Maiglöckchen auf zum Frühlingsfest
und läutet bim, bam, bum.

Nun hält’s auch mich nicht mehr zu Haus,
Maiglöckchen ruft auch mich.
Die Blümchen geh’n zum Tanz hinaus,
zum Tanze geh‘ auch ich!

Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

 

 

Lyrik April 2013

Faust schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus

Faust:

Ha! welche Wonne fließt in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv‘ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,
Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnisvollem Trieb
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen?
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
Ich schau in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht:
„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!
Auf, bade, Schüler, unverdrossen
Die ird’sche Brust im Morgenrot!“

(er beschaut das Zeichen.)

Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
Und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all das All durchklingen!

(…)

Geist:

In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Wehe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselndes Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

 

Lyrik März 2013

Entdeckungen

Die kalten Winde sind verflogen,
neues Grün ziert Wald und Flur;
und es drängt mich, angezogen
von dem Schaffen der Natur
hinauszuwandern in die Ferne,
mit den Wesen eins zu sein;
ach, wie säh‘ ich sie so gerne,
tät mit ihnen mich erfreu’n.

Strahlend blau ist heut‘ der Himmel,
beschwingt geh‘ ich durch die Natur.
Hör ich da nicht ein Gebimmel,
oder täuscht mein Ohr mich nur?
Läutet diese Blume wirklich?
Kann auf einmal ich das hör’n?
Dann sind meine Sinne merklich
aufgeschlossen nun dem HERRN:

Da sind ja kleine Elfen
in den Blumenköpfen nun zu seh’n;
und in dem nahen Bache
schwimmen Wassernixen, licht und schön.
All das Werden und das Weben
um mich herum in der Natur
schaffen alleine SEINE Wesen,
erfüllen SEINEN Willen nur.

Gottes Schöpfung preis‘ ich,
leb‘ ich doch von der Natur,
und Jubel überkommt mich,
seh‘ ich all die Wunder nur.
Ein Dankgebet zum Schöpfer
sende ich mit vollem Herz.
Was ich hier durft‘ nun erfahren,
trägt meine Seele himmelwärts.

Espi 2013